„Wer heilt, hat Recht“

„The greatest obstacle to knowledge ist not ignorance, it is the illusion of knowledge.“

Daniel Boorstein

In der letzten Ausgabe des „Skeptiker“ (Vereinszeitschrift der GWUP) gab es einen hervorragenden Artikel von Christoph Bördlein zu dem berüchtigten Satz „Wer heilt, hat Recht“. Ich fand den Satz immer schon doof, aber noch nie wurde er nach meinem Geschmack so schön seziert wie in diesem Artikel, den ich mir erlaube hier wiederzugeben.

Ausgangspunkt ist das Konzept der vier Arten von Validität nach Campbell und Stanley:

Art der Validität…bedeutet……für den Satz:
statistische Validität
(Datenevaluierungsvalidität)
Geht es dem/den Patienten nach einer Behandlung wirklich besser?Hat er wirklich geheilt?
Lassen sich die angeblichen Erfolge also objektivieren, gibt es nachvollziehbare Kriterien (z.B einen signifikanten Unterschied zwischen Verum- und Kontrollgruppe)?
interne ValiditätIst die Behandlung wirklich ursächlich für die Verbesserung des/der Patienten?Hat er wirklich geheilt?
War es also wirklich die Behandlung, die eine Heilung/Verbesserung bewirkt hat, oder gibt es alternative Erklärungen (z.B. Zufall, Selbstheilungskräfte/natürlicher Verlauf, andere Faktoren)?
KonstruktvaliditätBasiert eine tatsächliche Verbesserung aufgrund einer Behandlung wirklich auf den vom Behandler postulierten Gründen, d.h. belegen die Ergebnisse die zugrunde gelegten theoretischen Konzepte?Hat er deshalb Recht?
Lag es wirklich an den behaupteten Gründen, oder gibt es andere mögliche Erklärungen (z.B. unspezifische Effekte, Placeboeffekte, gleichzeitige andere Therapien, …)?
externe ValiditätLässt sich das Ergebnis verallgemeinern, ist es also replizierbar? Das bedeutet, kann das „wirksame Agens“ auch in anderen Situationen, bei anderen Patienten, durch andere Behandler mit gleichem Effekt angewendet werden?Kann er allgemein mit seiner Methode heilen?
Kann man die Intervention deshalb auch auf andere Situationen/Patienten/Behandler übertragen und wiederholen (oder hat sie eben nur in diesem konkreten Fall, bei diesem Patienten, in dieser Situation gewirkt)?

Als Grafik nochmal zusammengefasst:

Wer heilt, hat Recht - Arten von Validität

Nur wenn alle vier Fragen sicher mit „Ja“ beantwortet werden können und somit alle vier Arten von Validität erfüllt sind, ist der Satz „wer heilt, hat Recht“ eine zulässige Schlussfolgerung. Letztlich dient ein Großteil des Aufwands medizinischer Studien (Hypothesenbildung, Studienprotokoll, Placebo-Kontrolle, Randomisierung, Zieldefinition, statistische Verfahren, …) dazu, mögliche (Selbst-)Täuschungen und Irrtümer auszuschließen. Wer überzeugt ist, dass seine persönliche Wahrnehmung und Interpretation ein ausreichender Maßstab für generelle Aussagen ist, hat sich offensichtlich noch nie mit wissenschaftlichem Denken beschäftigt und sich selbst kritisch hinterfragt. Sonst würde er diesen Satz nicht benutzen.

Danke an Christoph Bördlein für die Grafik und die Erlaubnis, seinen Artikel hier (stark zusammengefasst) wiedergeben zu dürfen!

Linktip:

Grams‘ Sprechstunde: Wer heilt, hat nicht zwingend recht