Ordnung im Gefühlswirrwarr, Teil 1: Was sind Emotionen?
Ich bin seit der ersten Folge treuer Hörer des Psychcast, ein Podcast rund um Psychotherapie, Psychosomatik und Psychiatrie. Alex und Jan, die beiden Podcaster, Fachärzte für Psychiatrie bzw. Psychosomatik und Psychotherapie, unterhalten sich – manchmal auch mit Gästen – locker und vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Erfahrungen und Meinungen über diverse Themen. Die Direktheit und Spontanität, mit der sie das tun (und manchmal während der Sendung schnell noch Dinge bei google nachschlagen…), machen einerseits den Reiz aus, provozieren aber auch regelmäßig meinen perfektionistischen Anteil, dem die Systematik, Struktur und Vollständigkeit fehlt. Daher werde ich gelegentlich einen ihrer Podcasts als Anlass nehmen, hier zu einem Thema was zu schreiben. In diesem Fall ist es Folge 49 „Die Gefühlssendung“, zu der ich gerne etwas beitragen möchte. Aufgrund der Breite des Themas wird es wohl eine kleine Serie werden.
Was sind überhaupt Emotionen?
Emotionen sind automatisch und unwillkürlich ablaufende Prozesse, die psychische und körperliche Komponenten beinhalten. Die psychische Komponente beinhaltet eine kognitive Bewertung (Gedanken) und einen motivationalen Anteil (Handlungsimpuls). Die körperliche Komponente besteht aus einem expressiven Anteil (nonverbaler Ausdruck wie Mimik und Gestik), einem physiologischen (körperliche Reaktionen wie schnellerer Herzschlag, Muskelanspannung, Hitze, …) sowie gegebenenfalls einem typischen Verhalten.
Emotionen sind etwas evolutionär sehr altes. Sie stellen eine schnelle und intuitive Bewertung einer Situation dar, was offensichtlich beim Überleben hilft. Wären Emotionen von Nachteil, wären sie im Laufe der Evolution sicherlich rausgeflogen. Sind sie aber nicht, und dementsprechend findet man Emotionen in verschiedener Komplexität auch bei Tieren, v.a. Säugetieren. Im Gehirn sind vor allem phylogenetisch ältere Teile für die Emotionsverarbeitung zuständig, insbesondere das limbische System. Die dort ablaufenden Programme sind daher grundsätzlich bei allen Menschen zunächst gleich, wie ich im nächsten Beitrag zu Basisemotionen erläutern werde. Allerdings wird das Erleben und der Ausdruck von Emotionen stark kulturell und durch die frühen Bezugspersonen geprägt. Ein wesentlicher Entwicklungsprozess in der Kindheit liegt darin, dass wir den Ausdruck und das Verhalten von Emotionen zunehmend kontrollieren und vom Außen quasi auf eine „Innere Bühne“ verlagern können. Diese Fähigkeit der Emotionsregulation ist sehr zentral für unser Wohlbefinden, und Einschränkungen dieser Fähigkeit scheinen bei einigen psychischen Erkrankungen eine wesentliche Rolle zu spielen (insbesondere bei der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ und bei Somatisierungsstörungen).
Zusammengefasst: Emotionen sind nützliche Instrumente, die uns im Alltag helfen können, wenn wir mit ihnen umzugehen wissen.